9B. Zitate von Carl Huter über Lavater und Gall
Gliederung und Fettdruck durch die Carl-Huter-Stiftung
1. Über Johann Caspar Lavater
"Welt- und Menschenkenntnis", dritte Lektion I. Lehrbrief
"Gehe jeder mit solcher Innigkeit der Liebe und Hoheit der heiligen Begeisterung, wie sie einen meiner hochgeschätzten Vorgänger, den unsterblichen Johann Caspar Lavater auszeichneten, an das Studium dieser herrlichen Wissenschaft.
Hat uns Lavater wissenschaftlich auch wenig Positives gegeben, so bleibe er jedem, der sich dem Studium physiognomischer Menschenkenntnis widmen will, ein Vorbild des höchsten und edelsten Strebens.
Er wurde allein schon im Forschen nach Menschenkenntnis ein vollendeter Edelmensch, obwohl er das Ziel der Erkenntnis nicht erreichte.
Lavater ahnte und fühlte wohl den unendlichen Wert, den diese damals noch halbverborgene Wissenschaft, die er über alles liebte und die er zu enträtseln suchte, in sich schliesst."
"Welt- und Menschenkenntnis", neunte Lektion IV. Lehrbrief
"Fürwahr, ein Mensch, der das versucht hat, ist ein Grosser unter allen Grossen der Vergangenheit. Ihm gehört ein Denkmal wie kein zweiter es verdient hat, denn er suchte den Menschen das Grösste und Bedeutungsvollste, was sie je an geistigen Gütern erringen kann, zu geben. Wie weit ihm das gelungen ist, ist eine zweite Sache. Lavater hat aber mit einem Fleiss, einer Menschenliebe und mit einer Sorgsamkeit gearbeitet, die nur zu bewundern ist. Das Schweizervolk kann stolz sein auf diesen Mann, und so will ich denn über Lavaters Wirksamkeit in dem nachfolgenden Artikel das Wesentlichste bringen."
"Welt- und Menschenkenntnis", neunte Lektion IV. Lehrbrief
"In der physiognomischen Kunst ohne physiognomische Buchwerke ist er jedoch von Moses, Buddha, Confuzius, Plato, Perikles, Phydias, Sophokles, Homer, Jesus, Mohammed, Leonardo da Vinci, Rafael und anderen weit übertroffen worden."
2. Über das Werk "Physiognomische Fragmente" von Lavater
"Welt- und Menschenkenntnis", vierte Lektion V. Lehrbrief
"In den Jahren 1769 bis 1778 arbeitete Lavater mit unermüdlichem Fleiss an der Herausgabe seiner "Physiognomischen Fragmente", und damit war ein weltgeschichtliches Ereignis eingetreten, nämlich die Überzeugung, dass die materielle Form nicht tot und bedeutungslos für das geistige Innenleben, dass sie nicht nur im günstigsten Falle ein unaufschliessbares Geheimnis des lebendigen Geistes sei, sondern dass sich in den Körperformen der tierischen und menschlichen Lebewesen das Leben, der Geist ausspricht, und dass man nur diesen Geist der Formen zu studieren brauche, um in das Wesen desselben einzudringen. Damit war die Seelenforschung in ein neues Stadium getreten, man war wieder auf den richtigen Weg gekommen, und diese Pfadfindung hat die Welt vier deutschen Männern, Winckelmann, Mengs, Lessing und Lavater, zu verdanken.
Hatte Winckelmann das Wesen der Architektur und Plastik bearbeitet, so gab Mengs Aufschluss über das Wesen der Malerei, und Lessing konnte nun kritisch einsetzen und das Wesen der bildenden und der dichtenden Kunst im allgemeinen darlegen und insbesondere ihre natürlichen Grenzen und ihre gegenseitigen Ergänzungspunkte lehren. Lessings "Laokoon" ist ein einschneidendes Werk für die rechte Kultur der idealen Güter der Menschheit, Poesie und bildende Kunst."
3. Über Gall sowie Lavater
"Welt- und Menschenkenntnis", erste Lektion V. Lehrbrief
"Franz Josef Gall wurde am 9. März 1758 zu Tiefenbronn bei Pforzheim in Baden geboren. Er studierte in Strassburg und Wien Medizin und liess sich in letzterer Stadt als praktischer Arzt nieder. Seine erste Schrift, wodurch er weiteren Kreisen bekannt wurde, veröffentlichte er 1792 unter dem Titel "Philosophische und medizinische Untersuchung über Kunst und Natur im kranken und gesunden Zustande des Menschen", Band I. Der II. Band, obwohl im Manuskript fertiggestellt, ist nie erschienen.
Man sieht hieran, dass Gall durch die zehn Jahre früher erschienenen "Physiognomischen Fragmente" Lavaters die Anregung erhalten hat, denn auch er zog ursprünglich die ganze Körperform in den Bereich seiner Betrachtung. Da er aber hierauf ebenso wenig wie Lavater einen festen Grund (1) fassen konnte und zu unsicheren philosophischen Erklärungen, ähnlich wie Lavater, flüchten musste (2), so hat ihn das anscheinend nicht hinreichend befriedigt, denn ihm fehlte das, was Lavater so hervorragend auszeichnete, das natürliche physiognomische und psychologische Feingefühl. Daher sind die Werke Lavaters durch den Reichtum psychologischer, richtig erfasster Wahrheiten, gerade weil sie mit dem Gefühl erfasst sind, so von bleibendem Wert. Man merkt beim Studium der Lavaterschen Werke denselben nicht die naturwissenschaftlichen Mängel an. Lavater führt uns in seine eigene Seele ein und lässt uns mit dieser seiner Seele sehen, beobachten und warm das Wahre empfinden, ohne dass wir uns jemals klar darüber werden, warum wir das Richtige empfinden. Wir fühlen die Wahrheit in der Lavaterschen Physiognomik, aber wir wissen sie nicht mit dem Verstande zu erfassen. Die philosophischen Folgerungen Lavaters fassen uns ebenfalls beim Gefühl, beim Heiligsten in uns, bei der Ethik, — und daher achten und lieben wir die philosophischen Erklärungen Lavaters. Dabei schreibt Lavater in einer edlen und blühenden, dichterischen Sprache voller Frühlingshauch und Blumenduft, also auch ästhetisch nimmt er unser Gefühl gefangen, und so wird jeder fein empfindende Mensch von Lavaters Werken angezogen.
Der nüchterne Forscher aber, wie Gall einer war, wird mit den ganz anders gearteten, realen schriftstellerischen Fähigkeiten nie gleiche Wirkungen auf den Leser erzielen.
Auch der Mangel psychologischer Feinfühligkeit kann nie durch nüchterne medizinische oder philosophische Kenntnisse ersetzt werden.
Diese eigenen Mängel einsehend, hat Gall sich bald auf das Gebiet geworfen, das seine ureigentliche Domäne ist, auf die Anatomie, — und da er nun mal von psychologischen Fragen erfüllt war, so suchte er speziell durch die Gehirnanatomie die richtigen Antworten darauf zu gehen. Wie weit ihm das gelungen ist, wollen wir durch Kenntnisnahme der Grundzüge seiner Lehren hier genauer untersuchen."
Fussnoten
(1) Das lag daran, dass damals die Zelle, das Grundorgan des Lebens, noch nicht entdeckt war.
(2) Erst mit der Entdeckung der Lebenskräfte durch Huter in dem Lebensgrundorgan der Zelle und mit der Entdeckung der Ätherkräfte durch Huter konnte der innere Zusammenhang zwischen Geist und Körper und damit eine wissenschaftliche Psycho-Physiognomik begründet werden.
4. Über die Gallsche Phrenologie
"Welt- und Menschenkenntnis", zweite Lektion V. Lehrbrief
"Abgesehen von diesen wertvollen Leistungen ist das ganze Gallsche Lebenswerk im Lichte der Huterschen Psycho-Physiognomik trotz alledem nur ein Stückwerk, ein schwacher Abglanz der grossen, allumfassenden Wahrheit.
Kommentar: Huter hat Gall als Person sehr geschätzt. Hier äussert sich Carl Huter über sein Werk. Die Hutersche Menschenkenntnis resp. die Psycho-Physiognomik beruht auf fundamental anderen Erkenntnissen über Natur und Mensch. Die praktische Anwendung führt zu weit besseren Ergebnissen."
5. Über Lavater, dann über Gall
sowie die Hutersche Psycho-Physiognomik
"Welt- und Menschenkenntnis", erste Lektion V. Lehrbrief
"Haben wir in der 9. Lektion des 4. Lehrbriefes Johann Caspar Lavater, den für die Physiognomik begeisterten grossen Ethiker, Menschenfreund und Theologen kennengelernt, den letzten Ausläufer einer grossen alten Zeit (der Renaissance), jener Zeit, in der die Menschen mit kindlich-natürlichem Sehen und Beobachten der Natur zu philosophisch-synthetischen Schlussfolgerungen kamen, so beginnt mit Dr. med. Franz Joseph Gall, einem Naturwissenschaftler, eine neue Epoche in der Erforschung der menschlichen Seele. Galls Forschungen sind nicht wie die Lavaters aufs Ganze gerichtet, sondern auf das Einzelne, auf Bruchteile des Ganzen. Hier liegt Galls Grösse, aber auch seine Schwäche, so wie bei Lavater die Grösse in der Synthese und die Schwäche in der Analyse liegt. Beides muss sich ergänzen, soll etwas Vollkommenes werden, die analytische und die synthetische Methode.
Gall sah und arbeitete nicht nur an Teilstücken; sein ganzes Lebenswerk selbst ist nichts Ganzes geworden, sondern nur ein Stückwerk geblieben, weil er nur ein Stück, einen Teil vom Menschen zum ausschliesslichen Gegenstand seiner Untersuchungen gemacht hat, nämlich das Gehirn und die damit zusammenhängenden Nerven, den Schädel usw.
Der Bau, die Funktion, die Form des Gehirns mit Einschluss der knöchernen Hülle, des Schädels, ist ausschliesslich Gegenstand der Gallschen Forschung gewesen. Zum Menschen gehört aber mehr als Hirn und Schädel, folglich gehört auch zur Erforschung der menschlichen Seele alles das, was sich die Hutersche Psycho-Physiognomik zur Aufgabe gemacht hat, nämlich die Erforschung aller Körperteile, und zwar der grössten und der kleinsten, der inneren und der äusseren, und die Erkenntnis und das Wissen, wie alle Einzelteile mit dem Ganzen in Verbindung stehen, entwickelt und gebraucht werden sollen. Um überhaupt zu diesem tiefgründigsten Lebensform- oder Geistformverständnis zu gelangen, mussten alle Formen der Welt in den Bereich der Untersuchung gezogen werden; daher ist die Hutersche Psycho-Physiognomik Welt- und Menschenkenntnis und folglich eine neue Welt- und Lebenslehre."