Carl-Huter-Stiftung

Welt- und Menschenkenntnis nach Carl Huter

3C3. Unterrichtsstunde und Entdeckungsgeschichte


 

1. Unterrichtsstunde
Freunde der Huterschen Wissenschaft: Aus eigener Kraft, 1911. XIV. Teil: Die wichtigsten Entdeckungen von Carl Huter.
Fettdruck und Gliederung durch die Carl-Huter-Stiftung

Zitat Anfang:

Die Naturell-Lehre von Carl Huter.

Fragen und Antworten aus einer Unterrichtsstunde.

1. F. Was geschieht mit der Eizelle nach ihrer Befruchtung?
1. A. Nach der Befruchtung der Eizelle tritt die Bildung der Keimblätter auf.

2. F. Welche Keimblätter bilden sich zuerst?
2. A. Zuerst bilden sich das äussere und das innere Keimblatt, dann aus diesen beiden das dritte oder mittlere Keimblatt.

3. F. Was bildet sich aus dem äusseren Keimblatt?
3. A. Haut und Nervensystem, die Organe des Empfindungslebens.

4. F. Was bildet sich aus dem inneren Keimblatt?
4. A. Das Ernährungssystem.

5. F. Was bildet sich aus dem mittleren Keimblatt?
5. A. Das Bewegungssystem.

6. F. Wie erklärt sich die Entstehung der Naturelle?
6. A. Wenn die Natur in ein Keimblatt mehr Energie verlegt hat als in die beiden
anderen zusammen, dann bildet sich das primäre Naturell heraus.§

7. F. An welchem Beispiel ist das für einen Laien leicht verständlich zu machen?
7. A. Man stelle sich eine Waage vor und die Möglichkeit, man könnte auf die eine Schale rechts das Empfindungssystem, auf die andere Schale links das Bewegungs- und Ernährungssystem zusammenlegen, wenn dann die Schale rechts mit dem Empfindungssystem herunterneige, also das Empfindungssystem allein schwerer als Bewegungs- und Ernährungssystem zusammenwiegen würde, dann würde damit das Vorhandensein des primären Empfindungsnaturells bewiesen sein.

In gleicher Weise erklärt sich das primäre Bewegungs- und das primäre Ernährungsnaturell.

Jedes Naturell prägt sich durch einen besonderen Formtypus im ganzen körperlichen Organismus und im Gesicht aus.

Das primäre Empfindungsnaturell hat einen schlanken und zarten Rumpf und auch gleichartige Glieder, eine feine dünne Haut und einen kiebitzeiförmigen Gesichtstypus, bei welchem der breite Teil nach oben, in Stirn- und Scheitelregion, der Spitze nach unten, im Kinn ausläuft.

Denkt man sich quer durch die Mitte der Augen eine Ebene, so überwiegen die
Formmassen, die über den Augen liegen, also des oberen Gesichts, die des unteren Gesichts.

Die Stirnteile sind breiter, kraftvoller und massiger als die unter dieser Ebene liegenden Gesichtsteile.

Das ganze Gesicht ist zart und fein, desgleichen Nase, Mund und Ohren, das Auge ist meistens sehr gross, das Haar ist seidenartig und lagert sich gewöhnlich lockig. Im Profil gesehen, tritt Stirn und Nase mehr hervor und die darunter liegende Gesichtspartie mehr zurück.

Diese Menschen neigen nach ihrer ganzen Veranlagung, da die Natur die meiste Energie in die Empfindungsorgane verlegt hat, zu wissenschaftlichen, künstlerischen, ethischen, religiösen und okkulten Forschungen und Betätigungen.

Die Bewegungsnaturelle sind die Tatmenschen, die grosse Pläne, Ideen usw. durchführen und sich und ihrer Sache Geltung verschaffen. Sie haben Neigung zum Herrschen, mindestens aber zur Unabhängigkeit. Bewegungsnaturelle zeichnet ein langes, hartes, knöchernes Gesicht, eine grosse Nase, ein vorstehendes Kinn, einen starken Unterkiefer, einen langen muskulösen Hals, eine breite Brust und breite Schultern aus. Sie haben lange, kräftige, muskulöse Arme, Beine, Hände, Füsse, Finger, meist auch einen langen Schädel mit mässig hoher Stirn. 

Ernährungsnaturelle haben ein rundes, breites, volles Gesicht, gedrungenen, vollen, mittelgrossen Körper, breite Jochbeine, mässig hohe Stirn, kurzen Schädel, volle Lippen, fleischige, meist stumpfe Nase. Sie lieben die Ruhe und Lebensannehmlichkeit.



2. Entdeckungsgeschichte I
Carl Huter: Welt- und Menschenkenntnis. V. Lehrbrief, 7. Lektion, 1906. 
Fettdruck und Gliederung durch die Carl-Huter-Stiftung


2.1 Teil I: im fünften bis siebten Lebensjahr
Heinde, ab Herbst 1865 bis Herbst und Winter 1868 / 1869

Zitat Anfang:

  • Wie kam ich nun zu den ersten Grundlagen meiner Menschenlehre? Die Anregungen, welche mich zuerst dahin führten, möchte ich hier etwas genauer schildern. Ich muss hierbei auf meine erste Kindheit und Jugend zurückgreifen, wo ich, ganz rein und unbeeinflusst von jeglichem Wissen und Studium, frei und kindlich naiv in die Welt hinausschaute und die Menschen und Dinge beobachtete, dabei die Guten von den Schlechten, die Streitsüchtigen von den Friedfertigen, die Arbeitsfleissigen von den Ruhe- und Nahrungsliebenden, die Feinfühligen von den Rohen unterscheiden lernte. Man folge mir zunächst auf meinen geistigen Entdeckungsreisen meiner ersten Jugendzeit.
  • In der Nähe des väterlichen Hauses meines Heimatdorfes wohnten verschiedene Nachbarn; einer davon, ein braver Landwirt, hiess allgemein im Dorfe der weise Bartels. Dieser Mann war in der Bibel und in der Geschichte gut beschlagen und ein wirklich weiser, vorausberechnender Mann; er war friedfertig, erteilte gerne jedermann guten Rat und war grundrechtschaffen. Alles war in seinem Kreise harmonisch, und niemals hörte man Streit, Unregelmässigkeiten oder Unangenehmes auf seinem Hofe. Dieser Mann fiel mir auf wegen seiner grossen, weitgewölbten Augen und hohen Stirne, schönen langen, dabei vollen Kopf-, Gesichts- und Körperformen. Wo ich solchen ähnlichen Menschen wiedersah, fand ich ähnliche Charakterzüge wieder. Dieses führte mich zu der Überzeugung, dass solche Menschen Harmonie-Naturen seien, die, da sie Harmonie in sich tragen, Harmonie um sich verbreiten. Besondere Tatmenschen waren aber solche Harmoniemenschen nicht, sie waren auch nicht sehr empfindlich und erregbar, sondern sie vermochten in allen Lagen eine gewisse Ruhe zu bewahren. Auch fehlte diesen Menschen die Neigung zu ausfallender Sinneslust, zu Trunk, Spiel und übermässigem Essen. Es waren die geborenen Philosophen und Leiter von Betrieben in Haus, Hof, Werkstatt und Fabrik.
  • Nicht weit von diesem weisen Bartels wohnte ein grosser Ökonom. Dieser Mann hatte ein breites Gesicht, dicke aufgeworfene Lippen, kurzen gedrungenen Hals, einen mittelgrossen gedrungenen Körperbau, auch grosse Augen, aber sein Blick war abstossend, unharmonisch im Ausdruck; Stirn und Schädel waren nach den Ohren hin zu breit und nach oben hin zu niedrig. Dieser Mann war jähzornig und gewalttätig; er ass und trank reichlich, nie war rechte Harmonie auf dem Hofe; fast kein Tag verging, ohne dass man nicht Streit und Schelterei von dorther hörte. Der Mann war in seinem ganzen Wesen das Gegenteil von dem vorher geschilderten Weisen. Jener war sozusagen das weiche B, dieser das harte P. Er war eine disharmonische Natur in sich und trotz seiner Frau, die in der harmonischen Natur lag, blieb sein Charakter unverändert. Doch leitete seine gute Frau im stillen alles zum besten, was der Herr und Besitzer an Plänkerei und Zerrissenheit stiftete.
  • Die Tat-Energie und auch der Egoismus dieses disharmonischen Menschen waren weit stärker als bei den weisen harmonischen Naturen. Darum war dieser disharmonische Mensch auch der Gemeindevorsteher, und er blieb es auch. Sein Egoismus duldete nicht, dass ein anderer Bauer sein Vorgesetzter wurde. Seine Tatkraft gab ihm den Trieb, neben reichlicher landwirtschaftlicher Tätigkeit noch den Gemeindeverstandspflichten einigermassen ordnungsgemäss nachzukommen.
  • Durch seinen persönlichen Einfluss mochte ihn niemand gern, alle aber hatten eine gewisse Furcht vor ihm; niemand im Dorfe wagte, einen anderen, etwa den weisen Bartels, zum Ortsvorsteher vorzuschlagen, obwohl es oft laut und heimlich gewünscht wurde. Alle Menschen, die ein Wesen wie dieser disharmonische bekundeten, hatten auch ähnliche Augen, Hälse, Gesichter, Körper, Nasen, Mäuler, Köpfe und Ohren. Sah ich solchen Menschen, so erriet ich auch schon das Wesen aus seiner Gestalt. Ich dachte damals schon viel darüber nach, weshalb die Weisen beiseite stehen und die disharmonischen sie nie zur Geltung kommen liessen und dachte oft, dass die harmonischen doch zu Gemeindevorstehern besser passen würden als die disharmonischen.
  • Als später in einem Nachbardorfe ein harmonischer Mensch zum Ortsvorsteher gewählt wurde, kehrte in diesem Ort Friede und Eintracht ein, wo vorher Zerrissenheit geherrscht hatte, und in meinem Heimatdorfe war nie so recht Einklang und Harmonie unter die Leute zu bringen, solange der disharmonische Bauer das Dorf beherrschte. Allgemeines gegenseitiges Misstrauen griff Platz und vertrieb das frühere gute Vertrauen, das in der Amtszeit des Vorgängers, einer harmonischen Natur, gewaltet hatte. Es war, als wenn magische Kräfte von den harmonischen und von den disharmonischen Naturen ausgingen, denn immer und immer erlebte ich diese verschiedenen Einflüsse bei diesen verschiedenen Naturen.
  • Ausser diesen beiden grundverschiedenen Menschentypen, den angenehmen, die stets Wohlsein verbreiten, und den unangenehmen, die stets Furcht, Angst, Misstrauen oder doch mindestens Unbehagen verursachen, fand ich noch drei andere Arten von Menschen, die ebenfalls grundverschieden in ihrer Natur waren, die mir aber auch nicht zu dem einen und nicht zu dem anderen vorhin gezeichneten Menschentypus zugehörig galten.
  • Nicht weit von meines Vaters Hause wohnte eine kleine Bauersfamilie, welche grossen Hang zur Schäferei zeigte. Ich fand, dass diese Personen, die Söhne und Töchter, alle zur Korpulenz neigten. Sie hatten eine mittelhohe, breitrunde Stirn, ein breitbackiges volles Gesicht, dicken, vollen Hals, gedrungenen Körper und neigten zur Ruhe und Bequemlichkeit. Daher waren sie weniger rege Ackerbauer als gute Viehzüchter. Gänse, Schweine, Rinder, Schafe mästeten sie mit Vorliebe fett, und es war gerade, als gelänge diese Fettmacherei bei ihnen leichter als bei anderen Viehzüchtern im Dorfe.
  • Die Leute wurden in der Tat durch die Viehzucht und Mästerei allmählich wohlhabend. Sie lebten einfach in der Ernährung, aber sie assen reichlich und oft. Mir schien es, als wenn sich von ihrem Ruh- und Ernährungssinn eine Art segensreiche Übertragung auf ihre Schweine, Schafe, Kühe und Gänse nachweisen liess. Mit diesen Tieren hantierten sie lieber als mit Pferden und Ziegen. Ich nannte diese Art Leute die Ruh- und Ernährungsnaturen. Auf dem Hofe sah alles ziemlich gleichgültig aus, besondere Ordnung und Schönheit, wie es der weise Bartels liebte, war hier nicht zu finden. Auch schien mir der Begriff für Recht und Gewissen nicht so ausgeprägt zu sein wie bei den harmonischen Menschen. Wenn Bartels Unrecht wahrnahm, sah man ihn kopfschüttelnd und ernstlich tadeln. Diese dicken Leute lachten aber kaltherzig bei solchen Gelegenheiten, dadurch bekam ich Abneigung gegen sie; es waren starke Egoisten. Glaubten sie, es greife jemand in ihre Rechte ein, so hatte der auch einen Prozess am Halse; solchen wussten sie stets zu ihren Gunsten auszuschlachten. Mit den Rechten anderer nahmen sie es aber nicht so genau. Einer dieser Söhne wog in seinen mittleren Jahren weit über drei Zentner, er fühlte sich dabei bombenwohl, konnte sogar gut marschieren und unter Umständen auf Dorffesten ohne Beschwerden andauernd tanzen.
  • Ich folgerte hieraus, dass Menschen mit diesem Naturell trotz ihrer Korpulenz nichts Krankhaftes an sich haben, sondern dass die Entwicklung zu starker Körperfülle ihr angeborenes ganz natürliches Naturell sei.
  • Zum Unterschied von diesen wurden andere Menschen, die nicht in diesem Naturell lagen, schon bei mässiger Körperdicke krank und starben nach wenigen Jahren. Die Ruh- und Ernährungs-Naturelle wurden bei ihrer Beleibtheit alt, hatten nie Beschwerden und waren also gesund zu nennen. Dieses führte mich zu der Annahme, dass diese Art dicker oder gedrungener Menschen von denen zu unterscheiden sind, die Körperfülle und Gedrungenheit krank macht, weil es zu ihrem Naturell nicht gehört.
  • Eine ganz andere Menschenart beobachtete ich in verschiedenen Bauern und Tagarbeitern des Dorfes, die einen langen, muskulösen, knochig starken Körper hatten mit langem Hals und langem Gesicht. Diese waren meist fleissige, tatkräftige, nüchterne, aber rohe, ziemlich kaltherzige Naturen. Sie hatten mehr eine eiserne Gemütskälte, während die Ruh- und Ernährungsmenschen mehr eine gleichgültige Gemütskälte zeigten. Die Stirn dieser Tatmenschen war meist nur mässig hoch, Füsse, Hände, Finger, Ohren und Nase waren gross und lang, das Haar meist hart oder struppig. Diese Leute standen gern morgens früh auf, gingen sehr gern weite Wege zu Fuss ins Feld, auch gingen sie sonntags, wenn sie es nicht nötig hatten, oft weit in den Wald oder in ein Nachbardorf, oder sie spielten mit Vorliebe Kegelschieben, während die Ruhmenschen alle weiten Wege ungern gingen, lieber Karten spielten und Bier tranken. Ich nannte diese gehlustigen Leute die Bewegungsmenschen. Arbeit, Körperbewegung, war ihr liebstes. Sie waren sehr selbstbewusst, im Streit untereinander gefährlich, leicht zur Tat übergehend mit Stockschlägen oder Messerstechereien. Bei jedem Dorffest kamen diese Art Menschen leicht hart aneinander. Waren viele harmonische Menschen anwesend, so brach kein Streit aus; trat ein disharmonischer dazwischen, dann kam alles in Wirrwarr, die Leidenschaften entflammten rasch, die tollste Schlägerei war das Ende. Die grösste Gefühllosigkeit konnte man hierbei beobachten, worüber lachend die Dicken beiseite standen und nur aufpassten, dass sie keine Hiebe abkriegten. 
  • Die Harmonischen suchten in Ruhe dazwischenzutreten und Frieden zu stiften, was oft gelang. Die Disharmonischen hetzten und tollten dazwischen herum, wobei endlich noch eine andere Sorte Menschen tief ergriffen jammerte und weinte, hilfsbereit die Geschlagenen oder Gestochenen beiseite schaffte und sie pflegte und ihnen wohltat. Diese Sorte Menschen hatte immer denselben Kopf-, Gesichts- und Körpertypus, es waren meist kleine zarte, schlanke Männer, Mädchen oder Frauen mit dünnem, zartem Hals, durchgeistigten Augen, feinen Gesichtszügen, Ohren, Lippen und Wangen, auch hatten sie eine fein- und edelgeformte Nase und hohe, edel gewölbte Stirn. Diese Leute konnten sich bis zur Selbstaufopferung anderen oft ganz fremden Menschen hilfreich hingeben. Es waren empfindsame Gefühlsmenschen voller Mitleid, Liebe und Barmherzigkeit, die Engelsnaturen unter den oft in der Trunkenheit zu Barbaren herabgesunkenen Tatmenschen.§
  • Merkwürdig fiel mir nun auf, dass zwischen diesen Empfindungs- und den Harmoniemenschen stets eine schnelle Übereinstimmung der Meinung und starke Sympathie auftrat, aber auch auf die Tatmenschen bekamen diese Empfindungsnaturen Einfluss. Der Einfluss auf die Ernährungsnaturen trat schwer oder gar nicht ein, eher noch beeinflussten sie die disharmonischen Naturen. Als ich fand, dass meine Grossmutter mütterlicherseits auch in diesem Empfindungs-Naturell lag, hatte ich Gelegenheit, ihre Natur umso so eingehender zu studieren, als ich gut mit ihr harmonierte und sie oft besuchte. Bald teilte ich die Menschen in folgende fünf Grund-Naturelle ein:

    1. das harmonische Naturell,
    2. das disharmonische Naturell,
    3. das Ernährungsnaturell,
    4. das Bewegungsnaturell,
    5. das Empfindungsnaturell
    .
  • Ausser diesen fünf Grundnaturellen fand ich zahlreiche Zwischennaturelle, bei denen zwei oder mehrere der fünf Grundtypen vermischt auftraten.
  • Dieses sind die ersten grundlegenden Studien an Menschen gewesen, die für mich einen bleibenden Wert behielten und die ich als aufmerksamer Menschenbeobachter in der Zeit von meinem fünften bis siebenten Lebensjahre, 1867-1869, gemacht habe.

Zitat Ende.


2.2 Teil II: Vom Ende des neunten bis zum zwölften Lebensjahr
Oedelum, Sommer 1870 bis Herbst 1873

Zitat Anfang: 

  • Von meinem Heimatorte kam ich im siebenten Lebensjahre, nach dem Tode meines Vaters, von Mutter und Geschwistern fort zu einem entfernt wohnenden Onkel in eine ganz andere Gegend. Das beste, was ich mitbekam und das ich mir gewünscht hatte, war ein Tuschkasten mit Farben, Zeichenmaterial und Bücher und Papier, um meine Menschentypen zeichnen und mit bunter Tusche malen zu können. Dieser Lieblingswunsch wurde mir von meinem Grossmütterchen erfüllt.
  • In der neuen Heimat setzte ich meine Beobachtungen aufs neue fort. Mein hochbegabter Lehrer, den ich dort bekam, lag im Empfindungs-Naturell, und zwischen mir und diesem entwickelte sich bald eine grosse gegenseitige Zuneigung, was für meine weitere geistige Entwicklung von der grössten Bedeutung wurde. Der Ortsvorsteher in diesem Dorfe, stark im Bewegungs-Naturell liegend, war mir das Ideal dieses Typus, dabei war er ein Mann von reichem Empfindungsleben, den ich sehr bald schätzen lernte, als dessen Sohn mein Jugendfreund wurde.
  • In der Nachbarschaft meiner Pflegeeltern wohnte ein grosser Bauer, dessen Tochter Ida, damals wohl an 18 Jahre alt, ganz im Empfindungsnaturell lag.
  • Als 1870 der Krieg ausbrach, hat dieses edle Wesen mit grösster Sorge alle Berichte aus Zeitungen und Zeitschriften gelesen und grossen Anteil genommen an allen Ereignissen. Dasselbe konnte ich bei meinem vortrefflichen Lehrer beobachten. Frl. Ida St. sammelte fleissig für die Verwundeten Wundwerg aus gutem Leinen gezupft, neben andern nützlichen Sachen zusammen.
  • Ihre grosse, edle, mitempfindende Seele war überall liebevoll und hilfsbereit. Auch mir brachte sie, als sie hörte, wie gern ich zeichnete und Köpfe malte, illustrierte Journale, um mir gute Bilder und Vorlagen zu ermöglichen und bald verband uns eine geistige Freundschaft, nachdem ich die Gesichter und Köpfe an Bildern und lebenden Personen. so richtig. zu deuten verstand. Sie interessierte sich fast noch lebhafter für meine psychologische Gabe als mein Lehrer.
  • Meine immerwährende Neigung, die Gesichter und Köpfe und Bewegungen bei den einzelnen Schulkameraden wie bei erwachsenen Personen zu beobachten, rief überall die besondere Aufmerksamkeit wach. 
  • Hierbei gewann ich die edlen Menschen im ganzen Dorfe als meine Gönner, viele waren es nicht. umso so grösser aber war die Freude für mich und jene, wenn ich zu ihnen eingeladen wurde. 
  • Menschen, die meinen Beobachtungen auswichen oder mich deswegen tadelten, hatten einen üblen Charakter. 
  • Unter meinen Schulkameraden berechnete ich aus ihrem Naturelltypus bald ihre Handlungen, und oft fragte mich der Lehrer, wenn er über einen Fall, der ihm dunkel lag, nicht klarwerden konnte: "Carl, was sagst du dazu ?" Meine Antwort fiel meist so aus, dass die spätere Lichtung einer Tatsache mein Urteil bestätigte. Als ich bei wiederholten strafbaren Tollheiten einiger Dorfknaben meinem Lehrer Aufklärung gegeben hatte, wodurch er auf die abgeleugneten und verschleierten Spuren der Täter kam, wurde ich von diesen ebensosehr gefürchtet als auch gehasst, und ich hatte manchen Strauss mit diesen auszufechten. Bei tollen Streichen suchte ich zu ermahnen, vom Unsinnigen abzuhalten, aber die Masse liess sich stets von den Tatknaben zu Tollheiten verleiten. 
  • Ich stand meist isoliert mit nur wenigen Freunden da, die sogar ebenfalls noch oftmals abfielen. Dieses führte mich schliesslich zur Abschliessung von allen Knaben und zum eifrigsten einsamen Studium für mich selbst. 
  • Vom Lehrer begünstigt und befördert, lernte ich schnell und eroberte die ersten Plätze. Der edle Mann gab mir aus Interesse für meine psychologische Gabe vier Jahre kostenlosen Privatunterricht. Ich lernte hier bei eingehender Völker- und Weltgeschichte auch die griechische Philosophie, Kultur- und Kunstgeschichte kennen, und als ich dann weiter meine Charakterstudien und Naturell-Lehre auf die grossen Persönlichkeiten wie auch auf die Geschichte übertrug und wiederum durch die Geschichte meine Naturell-Lehre und Charakterologie bestätigt fand, da beschloss ich, um dieses später bildlich darstellen zu können, zuerst ein Gymnasium zu besuchen und dann entweder Bildhauer oder Maler zu werden. Dieses war in meinem elften und zwölften Lebensjahre, 1872 und 1873. 
  • Ich möchte daher von dieser Zeit an, wo ich durch vergleichende Geschichtsforschung meine Naturell-Lehre abermals bestätigt fand, diese als wissenschaftlich nachgewiesen betrachten.

Die Naturelle geschichtlicher Persönlichkeiten

  • Meine kindlich naive Entdeckung der Naturelltypen machte ich also im sechsten, meine erste wissenschaftliche durch geschichtliche Vergleichung im zwölften Lebensjahre. 
  • Wie ich zu diesen Vergleichungen kam, möchte ich hier weiter darlegen. Als ich im Jahre 1871 die Porträts von den grossen Generalen und Heerführern in der deutschen und französischen Armee in verschiedenen illustrierten Zeitschriften und auf Bilderbogen wiederholt beobachtete, fand ich, dass sie alle mehr oder weniger im Bewegungsnaturell lagen, wenige lagen im Empfindungs- oder in einem noch anderen Naturell. 
  • Dahingegen lagen die Staatsmänner mehr im Ernährungs- oder harmonischen Naturell. Als ich bei Graf Moltke, dem grossen deutschen Strategen, das ausgesprochene Bewegungs-Naturell feststellte, bei dem Diplomaten Bismarck, das Ernährungs-Naturell, das zum Teil harmonisch, zum Teil disharmonisch im Gesichtstypus war, ging mir ein Licht auf über die Bedeutung des Naturells für den Charakter und das ganze Leben, Tun und Treiben eines Menschen. 
  • Bei General Roon entdeckte ich die Empfindungsnatur mit Anklang an das Bewegungslehen und in König Wilhelm von Preussen, dem nachherigen deutschen Kaiser Wilhelm I. das harmonische Naturell. 

Zitat Ende.


3. Entdeckungsgeschichte II
Carl Huter: Grundlegenden Entdeckungen zur Psycho-Physiognomik und Kallisophie, 1910. Abschnitt "Mein Kampf um diese Wahrheiten und um die höchsten Menschheitsideale".
Gliederung und Fettdruck durch die Carl-Huter-Stiftung

Zitat Anfang:

  • In Wahrheit habe ich mein Naturellsystem schon als zwölfjähriger Knabe in den Formen der Natur und der Menschen nachgewiesen, zu einer Zeit, als mir weder eine Temperamentslehre, noch irgendeine Phrenologie bekannt war. 
  • Das ist amtlich nachgewiesen. (1) 
  • Ich habe, als ich als 21-jähriger junger Mann im Jahre 1882 zu Professor Dr. med. Bernhard Cyriax nach Leipzig kam, um Unterricht in Anatomie, Biologie, Psychophysiologie und Phrenologie zu nehmen, diesem gleich mein Naturellsystem und die Grundzüge meiner Psychophysiognomik, Kallisophie und Strahlenlehre vorgetragen, und er ist der erste gewesen, der mir die Anerkennung aussprach, dass es das Beste sei über Lebenskraft, Lebensformen und Lebensforschung, was ihm bisher vorgekommen sei und damit zugleich auch alle bisherigen Temperaments- und Phrenologiesysteme übertroffen hätte.
  • Ich nahm trotzdem den Privatunterricht bei diesem Gelehrten, um auch die alten bekannten Systeme kennen zu lernen und habe ihm manche Anregung und eine erhebliche Wissenserweiterung zu verdanken.
  • Er riet mir aber, nunmehr auf der eingeschlagenen Bahn meiner naturwissenschaftlichen Studien zu bleiben und mich als Naturforscher und Psychologie-Redner und Schriftsteller zu betätigen und nicht zu meinem damaligen Beruf der bildenden Kunst zurückzukehren. (3)
  • Ich bin diesem Rat gefolgt. 1884, also zwei Jahre darauf, habe ich mit öffentlichen Vorträgen (2) und 1886 mit Privatunterricht begonnen.

Zitat Ende.

(1) Nähere Einzelheiten nennt Huter hier nicht. Es ist unklar, was genau sich amtlich nachweisen lässt.
(2) Das waren einzig Vorträge über Spiritismus, im Winterhalbjahr 1884 und unter dem Pseudonym Lirani Cherubini. Erst ab 1886 hielt Huter Vorträge über die Huterschen Psycho-Physiognomik und über seine Lehren.
(3)  Carl Huter schreibt im Anschluss an die obige Textstelle: Meiner Porträtmalerei sagte ich erst Valet, als ich als Psychologe und Psychophysiognom die Grundlagen meines Systems wissenschaftlich geordnet hatte und praktisch ein anerkannter Fachmann auf diesem Gebiet geworden war. Das war im Jahre 1893, in dem Jahr, in dem Dr. phil. Adolf Brodbeck einen Teil meiner Lehre in der Broschüre «Leib und Seele» veröffentlicht hatte und diese auf dem Anthropologenkongress dem Geheimrat Professor Rudolf Virchow und anderen überreichen liess.



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